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Atomenergie – die Zukunft oder nicht

Während einige Länder neue Kraftwerke bauen und auf Kernenergie setzen, steigt Deutschland schrittweise aus dieser Art der Energieversorgung aus. Wer ist auf dem richtigen Weg? Und welche Rolle spielt die Forschung bei der Nutzung der Atomenergie?

Wie dem auch sei, der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromerzeugung ist im Laufe der Jahre zurückgegangen. Wird sich das ändern, wenn wahr wird, was die Industrie schon lange versprochen hat: neue und sichere Generationen von Atomkraftwerken?

Wie sinnvoll ist der Neubau von Kernkraftwerken?

In Europa ist der Baubeginn zahlreicher Anlagen geplant. In den Medien wird viel darüber gesprochen. Tatsächlich wird aber wenig gebaut:

  • Polen plant, erstmals Atomenergie zu nutzen. Daher wurde hier der Entwurf von 6 konventionellen Reaktoreinheiten und mehreren Minireaktoren angekündigt
  • Rumänien erwägt den Bau eines Mini-Atomkraftwerks
  • Ungarn und Bulgarien planen den Bau neuer Reaktoren
  • Slowenien unterstützt diese Idee und kündigt dies seinerseits an
  • Schweden beabsichtigt, irgendwann neue Atomkraftwerke zu bauen

Nur die Slowakei und Finnland haben derzeit konkrete Projekte. Die Situation in Frankreich ist besonders. Mehr als 50 Blöcke decken 70% des Strombedarfs. Dies ist auf internationaler Ebene von höchstem Wert.

Im Durchschnitt sind französische Bauwerke 38 Jahre alt. Im Jahr 2022 stand fast die Hälfte vorübergehend wegen Wartungsarbeiten und Ausfällen still. Die beiden Reaktoren in Fessenheim wurden bereits abgeschaltet.

Der einzige Neubau in Flamanville übertrifft alle Planungen hinsichtlich Zeit und Budget. Bis 2035–37 soll Frankreich sechs neue Blöcke gebaut haben, um die dann stillgelegten Blöcke zu ersetzen.

Auch erneuerbare Quellen werden berücksichtigt

Allerdings ist zu beachten, dass der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung weltweit immer noch sukzessive abnimmt. Der Rückgang begann nach einem Höhepunkt kurz vor Beginn des neuen Jahrtausends von 17% im Jahr 1996 auf 10% 2022.

Allerdings gibt es einen immer größer werdenden globalen Energiehunger. Der Bedarf wird hauptsächlich durch erneuerbare Energiequellen und – wenig überraschend – durch Kohlekraft gedeckt.

Der Jahresbericht über die Lage der Atomindustrie zeigt, dass sich die Wirtschaft der Branche größtenteils auf asiatische Länder, insbesondere China, konzentriert. In den letzten 20 Jahren gab es weltweit 98 Starts und 105 Stopps.

Allerdings befindet sich die Hälfte der neuen Kraftwerke allein in China. Wenn man dieses Land ausschließt, gibt es im Rest der Welt 57 mehr stillgelegte als in Betrieb genommene Anlagen. Und auch die Kapazität der Kraftwerksflotte außerhalb Chinas sank um 25 Gigawatt.

Die Wiederaufnahme der Branche ist immer noch eher ein Plan als eine Realität. Der Bau eines Kernkraftwerks ist jedoch eine politische Entscheidung, die vom Staat oder staatseigenen Unternehmen getragen werden muss.

Neben Russland, das die meisten Kraftwerke für andere Länder baut, sind auf dem Markt nur Südkorea und natürlich Frankreich erwähnenswert.

Mini-AKW-Forschung macht Sinn

Die Aussichten für die Atomindustrie hängen von zwei Ereignissen ab. Einerseits müssen Mini-Atomkraftwerke gebaut werden, andererseits müssen völlig neue Kraftwerkstypen entwickelt werden.

Kleinere Versionen konventioneller Leichtwasserreaktoren gab es bereits in der Vergangenheit in Form von Schiffen und U-Booten. Aber sie konnten die Stromerzeugung immer noch nicht wirtschaftlich gegenüber Großkraftwerken dominieren. Um sich am Markt zu etablieren, müssen sie nun einen wichtigen Schritt im Serienbau machen.

Die Vorteile liegen hier auf der Hand. In jedem einzelnen Block befindet sich deutlich weniger radioaktives Material, Unfälle sind weniger wahrscheinlich und die Folgen eines Unfalls können deutlich geringer sein.

Generell gilt jedoch, dass viel strahlendes Material vielerorts verstreut werden kann. Dies wirft neue Sicherheitsbedenken auf und im Vergleich zur erzeugten Strommenge ist die Menge an hochradioaktivem Atommüll höher als in klassischen Großkraftwerken. Auch die Standortfrage ist noch nicht geklärt.

Welche Zulassungen sollten einbezogen werden?

Es gibt viele unerwartete Probleme mit dem Standort von Ministationen. Um beispielsweise eine Stadt wie Stuttgart zu versorgen, wären 2 bis 10 dieser SMRs erforderlich. Einige kleinere Reaktoren wurden bereits gebaut, etwa in China und Argentinien. Es gibt jedoch ein Zulassungsproblem.

Wenn dies wie bisher an jedem einzelnen Ort geschieht, haben diese Reaktoren keine große Chance. Investoren und Unternehmen hoffen auf eine mit Flugzeugen vergleichbare Zulassung. Dort werden die Tests europäischer und amerikanischer Behörden weltweit anerkannt.

Dann könnten neue Energieversorgungssysteme voraussichtlich in größerer Zahl zum Einsatz kommen. Aber das ist wieder eine Frage der Zeit, denn es kann 7–10 Jahre dauern.

Gleichzeitig gibt es bereits viele, die mitmachen wollen. Beispielsweise will das von deutschen Wissenschaftlern aus Kanada gegründete Startup Fluid einen Reaktor ohne Brennstäbe bauen, in dem Brennstoff und Kühlmittel jedoch in flüssiger Form vorliegen.

Mehrere Zehntausend solcher Reaktoren weltweit – so sieht es der Physiker und CEO Björn Peters. Diese Systeme können auch die Beheizung von Gebäuden und die Produktion von E-Fuel ermöglichen.