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Autobahnbau: Hat China Aussicht auf Montenegro?

Durch das Balkanland Montenegro führt nun eine der teuersten Straßen der Welt. Die sogenannte Autobahn nach Nirgendwo wurde von China finanziert und gebaut. Jetzt muss das Land ein Darlehen von fast 5 Mrd. EUR abbezahlen. Wenn Montenegro dies nicht schafft, gehört seine große Infrastruktur in Zukunft China.

Es hat keinen Sinn aufzuhören und es gibt keine Möglichkeit, weiterzumachen

Eine neue glatte Autobahnstraße führt durch die Täler und in Tunnel durch die Berge. Der Weg endet jedoch im Nirgendwo. Das ruhige Dorf Matesevo ist das Ende einer der teuersten Verkehrsstraßen der Welt. Finanziert mit chinesischem Geld droht dieses Multi-Milliarden-Projekt das Budget des Balkanstaates zu erschöpfen.


Der EU-Beitrittskandidat bekam vor 6 Jahren mit Hilfe einer Bank in China über 940 Mio. USD, um den Bauanbieter CRBC aus China zu bezahlen. Seit 2014 graben chinesische Bauarbeiter Tunnels in den Fels und errichten Betonpfeiler in den Tälern. Nur etwas mehr als 40 km Autobahn wurden auf diese Weise gebaut, aber der gesamte Betrag ist bereits aufgebraucht.


Nun fehlen der montenegrinischen Regierung weitere 130 km und mehr als 1 Mrd. EUR, um wie geplant vom Adriahafen Bar im Süden über die Hauptstadt Podgorica bis zur Grenze mit Serbien im Norden zu führen.


Natürlich ist die Konstruktion beeindruckend, aber man kann nicht bei dem Viertel aufhören, was getan wurde. Die zurückgelegte Strecke zwischen dem Dorf und der Stadt Podgorica ist der schwierigste Teil der gesamten Route. Wie der Restbetrag finanziert und das Darlehen zurückgezahlt werden soll, ist völlig unklar.


Die Dorfeinwohner wiederum sprechen lieber über die positiven Aspekte der neuen Verkehrsstraße. Dank der neuen Kommunikation gelang es vielen von ihnen, ihr Grundstück zu verkaufen und an einen anderen Ort zu ziehen, was vorher nicht möglich war. Darüber hinaus schützt der Erdwall die Baustelle und die Umgebung vor Überschwemmungen.

Was passiert, wenn Montenegro die geliehenen Milliarden nicht zurückzahlt?

Opponenten beklagen nicht nur die Umweltzerstörung am Fluss Tara und die angebliche Korruptionmaßnahmen bei der Auftragsvergabe. Die Hauptfrage ist, wie ein Staat mit nur 600.000 Einwohnern und einem BIP von knapp 5 Mrd. EUR jemals seine Schulden gegenüber China abbezahlen wird.


Sollte Montenegro nicht zahlen, könnte das Pekinger Schiedsverfahren dieses kleine Land erzwingen, die Kontrolle über die bedeutsame Infrastruktur abzugeben. Dies ergibt sich natürlich aus dem Bauvertrag.


Peking steht seit langem in der Kritik, Länder für Infrastrukturprojekte entlang der Neuen Seidenstraße in Schulden zu treiben. So könnte China die finanzielle Abhängigkeit als Hebel nutzen, um ihren politischen Einfluss zu vergrößern.


Die chinesische Botschaft in Montenegro weist diesen Vorwurf jedoch zurück. Chinesische Beamte sagen, die Zusammenarbeit sei für beide Seiten von Vorteil.

Hat der Balkanstaat große Probleme?

Der Minister für Infrastruktur von Montenegro, Mladen Bojanic, sieht das Problem natürlich anders. Und das ist nicht verwunderlich, denn wenn der Staat keine Finanzierungsquellen findet, dann wird er große Probleme bekommen.


Nun versucht der Infrastrukturminister mit Hilfe der Europäischen Union die Verkehrsstraße zu retten, obwohl er früher als ein Politiker aus der Opposition gegen dieses Projekt aufgetreten ist. Zuvor nannte er es nicht nur rücksichtslos und riskant, sondern auch korrupt. Mehr als 30 Prozent der beteiligten lokalen Subunternehmer waren in irgendeiner Weise mit den Sozialisten verbunden, die über 30 Jahre lang regierten. Laut der Antikorruptionsorganisation MANS wiederum habe es keine öffentlichen Ausschreibungen gegeben. Die wichtigen Entscheidungen wurden hinter verschlossenen Türen getroffen und haben heute ihren Preis. Die Regierung will den Vorwürfen nachgehen.


Die neue Straße sollte den Tourismus ankurbeln und das Wohlergehen armer Regionen verbessern, indem Routen durch schöne, aber raue Landschaften reduziert werden. Doch vor 10 Jahren warnten Experten die montenegrinische Regierung, dass die Vorteile die Kosten nie überwiegen werden.

Mauteinnahmen können die Wartung nicht decken

Die neue montenegrinische Regierung hat schon zugegeben, dass die Mauteinnahmen nicht einmal die jährlichen Wartungskosten vollständig decken können. Die zukünftigen Kosten werden auf knapp 80 Mio. EUR geschätzt. Damit sich die Autobahn amortisiert, werden täglich rund 23.000 Fahrzeuge benötigt. Aber die wirklichen Zahlen sind kaum ein Viertel davon.


Auch diese Einschätzung könnte zu optimistisch sein. Tatsache ist, dass für die Bewohner Montenegros, die natürlich die Vorteile der neuen Verkehrsstraße bemerkt haben, die Maut zu teuer wäre. Nur wenige Bewohner des nahegelegenen Matesevo können sich die teuren täglichen Fahrten zur und von der Arbeit leisten.


Die Fahrten nach Podgorica auf der neuen Straße werden nur 30 statt 110 Minuten dauern, und die neue Straße wird viel sicherer. Daher gaben die Dorfbewohner zu, dass sie die neue Straße nur im Falle eines schweren Sturms oder eines Notfalls benutzen würden.